Otto und Hilde Faehse und Helmuth Kock – Politemigranten aus Borby und Eckernförde
als Opfer des stalinistischen „Großen Terrors“

Eine Spurensuche

 

von Rainer Beuthel

 

(aus: Jahrbuch der Heimatgemeinschaft Eckernförde, 74. Jg., 2016)

 

 


Jemand mußte Josef K. verleumdet haben,
denn ohne daß er etwas Böses getan hätte,
wurde er eines Morgens verhaftet.
(Franz Kafka: Der Prozeß)

 


„VERSCHOLLEN“ – VERGESSEN?


Alljährlich erinnern die Eckernförder Gewerkschaften am Gedenkstein auf
dem Borbyer Petersberg zum Auftakt ihrer Demonstration am 1. Mai an die
Todesopfer aus ihren Reihen, an Max Allewelt und Franz Langel, die im
März 1920 von antirepublikanischen Kapp-Putschisten ermordet wurden;
sie erinnern an die Landarbeiter Johann Buhs und Hinrich Junge als Opfer
des Sturms der SA auf das Gewerkschaftshaus am 10. Juli 1932, an den
Sozialdemokraten Richard Vosgerau, der noch in den letzten Kriegstagen
mit Tausenden anderer Häftlinge des KZs Neuengamme in der Neustädter
Bucht ums Leben kam, an zwei Kommunisten, den Räuchereiarbeiter Herrmann
Ivers – 1942 ermordet in der Strafanstalt Bremen-Oslebshausen – und
den Fischer Heinrich Otto, den die Nazis 1940 im KZ Dachau umbrachten.
Dutzende weiterer Mitglieder der Arbeiterbewegung mussten Zuchthaus und
KZ, ihre Familien ungeheures Leid ertragen. Ihnen allen ist gemeinsam, dass
sie wussten, wofür sie drangsaliert wurden; sie waren trotz unterschiedlicher
Auffassung über den Weg zum Sozialismus alle überzeugte Gegner des Nazi-
Regimes, das sie gnadenlos verfolgte.1


Dies trifft auch auf zwei Kommunisten aus Borby und Eckernförde zu, die
zwar wie ihre Genossen 1933 verhaftet wurden, aber in den Jahren nach 1936
Opfer des stalinistischen „Großen Terrors“ in der Sowjetunion wurden: Otto
Faehse und Helmuth Kock. Dass die gespaltene Arbeiterbewegung es nicht
vermocht hatte, die Machtübernahme der Nazis zu verhindern, war bitter
genug gewesen. Dass aber überzeugte Kommunisten und emigrierte Nazi-
gegner in eben dem Land, von dem sie Hilfe im Widerstand gegen die Nazis
erhofften und das sie als Bollwerk gegen den Faschismus betrachteten, unter
Anklage gestellt wurden – das birgt eine besondere Tragik, die noch heute
Fassungslosigkeit erzeugt. Bisher galten Otto Faehse, seine Ehefrau Hilde
und Helmuth Kock als in der Sowjetunion „verschollen“.2


Seitdem die Archive in der ehemaligen UdSSR wenigstens zeit- und teilweise
auch ausländischen Forschern zugänglich gemacht werden, ergeben
sich neue Möglichkeiten, dem Schicksal der „Verschollenen“ auf die Spur
zu kommen und unseren Wissensstand zu erweitern. Der Eckernförder Rudi
Jürgensen hat in seinem im Jahr 2000 erschienenen Buch über „Hermann
Ivers und seine Genossen“ ausgeführt: „Otto Faehse ging von Dänemark
weiter nach Nowgorod in die UdSSR. Einige Jahre später hatte seine Frau
die Möglichkeit, ihm zu folgen.“3 Tatsächlich waren Hilde Faehse und ihre
beiden Kinder ihrem Mann schon nach wenigen Monaten im Jahr 1934 in
die UdSSR nachgefolgt. Otto Faehse starb im Oktober 1941 am „Haftort“
im GULAG4, und auch seine Frau wurde im Februar 1942 zu fünf Jahren
Lagerhaft verurteilt5. Ob sie überlebt hat, ist bis heute unbekannt6. Auch das
weitere Schicksal Helmuth Kocks, der im August 1937 verhaftet wurde7,
blieb bisher im Dunkeln. Wie die Familie Faehse war er 1934 über Dänemark
in die UdSSR emigriert.


LEBENSSPUREN IN ECKERNFÖRDE


Otto Ditlev Heinrich Faehse wurde am 27.12.1900 in Eckernförde geboren.
Sein Vater, Carl Christoph Otto Faehse, von Beruf Schlosser und „Höker“,
war 1887 aus Magdeburg zugezogen.8 Er heiratete 1888 die Näherin Friederike
Marie Thomsen, geboren in Schleswig.9 Sie verstarb 1911, als Wohnadresse
findet sich im Sterbebuch Kattsund 13.10 Ihr Mann war bereits 1907
verstorben.11 Otto verlor also schon recht früh beide Eltern. Bis zum Jahr
1925 findet sich nichts über Otto Faehses weiteren Lebensweg, dann taucht
sein Name mit dem Zusatz „Bäckergeselle“ im städtischen Adressbuch auf,
wohnhaft Gaehtjestraße 4, wo der Bäckermeister Christian Sabransky eine
Bäckerei betrieb.12 Zu diesem Zeitpunkt war Faehse bereits seit mehreren
Jahren politisch engagiert und organisiert: Er hatte sich 1918 der USPD, 1919
der gerade gegründeten KPD angeschlossen und war „als Bezirksfunktionär
in seiner Heimatstadt tätig“.13
Nach einem Umzug nach Borby (Norderstraße 26) kandidiert Faehse für
die KPD auf Listenplatz 1 zur Kommunalwahl am 17. November 1929. Er
hat inzwischen geheiratet, ist Vater der Zwillinge Dorothea und Hildegard14;
auch seine Ehefrau Hilde unterschreibt als Unterstützerin den kommunistischen
Wahlvorschlag. Die Partei erhält 155 von 1170 Stimmen, dies reicht
für einen Sitz in der Borbyer Gemeindevertretung. In den Wahlunterlagen
wird Faehse nun unter der Berufsbezeichnung „Arbeiter“ geführt. Auf Platz
2 kandidiert Hermann Ivers, der leer ausgeht. Die SPD erhält 494 Stimmen,
stärkste Kraft wird die bürgerliche Liste „Gemeindewohl“ mit 521, was aber
nicht zur Mehrheit reicht. In einem Bericht der Eckernförder Polizeistation
an den Landrat vom 19. Dezember 1929 wird Faehse genannt als „eine der
Persönlichkeiten, die in der Partei hervorragend tätig sind“.15 Er wohnt jetzt
in der Riesebyer Chaussee 43.


Mit Ausbruch der Weltwirtschaftskrise verschärft sich die wirtschaftliche und
politische Lage dramatisch. In Eckernförde gewinnt die NSDAP immer mehr
Anhänger; zugleich bekämpfen sich die Arbeiterparteien untereinander. Die
KPD bezeichnet Sozialdemokraten als „Sozialfaschisten“, die SPD spricht
von Kommunisten als „rotlackierten Faschisten“. Der Bruderkampf der Arbeiterbewegung
wird auch in Eckernförde ausgetragen.16 „Die Rote Fahne“,
das Zentralorgan der KPD, kritisiert beispielsweise zwei Tage nach dem
Sturm auf das Eckernförder Gewerkschaftshaus durch die SA die örtliche
SPD-Führung. Sie habe „ihre Mitglieder aufgefordert, sich während der Nazidemonstration
aus der Stadt zu entfernen. Dadurch wurden die Mordtaten
der Nazis erleichtert. Unter den sozialdemokratischen Mitgliedern herrscht
über die feige Kapitulation ihrer Führer, die den Sturm der SA auf das Gewerkschaftshaus
erst möglich gemacht hatten, helle Empörung.“17 Einen
Tag später heißt es: „Was sich in Eckernförde abspielte, das ist ein tragischer
Beweis dafür, wie die Sozialdemokratie durch ihre Politik die Nazis frech
und stark und ihnen den Weg frei macht.“18


Otto Faehse gehört in diesen Jahren zu den nimmermüden Aktivisten seiner
Partei. 1930 tritt er der „Roten Hilfe“ bei, 1933 wird er „Funktionär mit
Sonderaufgaben“ des „Kampfbundes gegen den Faschismus“.19 In einem
geheimen Bericht des Landrates des Kreises Eckernförde an die Ortspolizeibehörden
vom 22. Mai 1931 heißt es über den „Kampfbund“: „Nach vertraulicher
Mitteilung plant der Kampfbund gegen den Faschismus während
der Pfingsttage in Einzelschwärmen von 10–20 Personen, die mit Fahrrädern
oder zu Fuss von Ort zu Ort ziehen sollen, eine besonders lebhafte Propaganda
zu treiben und dabei überall ohne vorherige Anmeldung Flugblätter
zu verteilen.“ Der Landrat fordert, „geeignete Massnahmen zu treffen, damit
eine nach der Verordnung zur Bekämpfung politischer Ausschreitungen ohne
vorherige Anmeldung unzulässige Flugblattverteilung verhindert wird.“20
Faehse spricht am 1. Mai 1932 vor 240 Zuhörern auf einer KPD-Kundgebung
auf dem Rathausmarkt und leitet am selben Tag einen „Ausmarsch von E.
nach Barkelsby und zurück“ mit 40 Teilnehmern. Am 20. Mai leitet er eine
kommunistische Versammlung im Hotel „Stadt Kiel“ mit 300 Besuchern,
es spricht Herrmann Jacobs aus Hamburg; am 28. Mai ist Faehse einer von
drei Rednern auf einer Arbeitslosenversammlung mit 180 Teilnehmern, am
4. Juli leitet er eine KPD-Veranstaltung im „Lindenhof“ mit der Rednerin
Lisel Augustat aus Hamburg, zu der 220 Menschen kommen.21 Es verwundert
nicht, dass Otto Faehse als überzeugter Aktivist seiner Partei auch nach der
Machtübertragung an die Nazis am 30. Januar 1933 wieder als kommunistischer
Spitzenkandidat zur Kommunalwahl am 12.03.1933 in Borby antritt.
Mittlerweile wohnt er am Saxtorfer Weg 16. Das Wahlergebnis ähnelt dem
von 1929: Otto Faehse behauptet seine „Schlüsselposition in der Borbyer
Gemeindevertretung“22, da vier SPD-Gemeindevertretern jeweils zwei Ver-
treter von NSDAP und „Gemeindewohl“ gegenüberstehen. Faehse wäre also
möglicherweise wieder ein „Zünglein an der Waage“ gewesen.


Dazu kommt es nicht mehr. Die Nationalsozialisten errichten auch in Eckernförde
Schritt für Schritt ihre braune Diktatur. Am 19. März wird „von der
hiesigen Polizei, mit Hilfe der Hilfspolizeibeamten sowie des Stahlhelms und
der S.A., in Eckernförde und Borby bei allen der Polizei besonders bekannten
Angehörigen der K.P.D. und S.P.D. und deren Funktionären eine gründliche
Durchsuchung nach Waffen, Munition und verbotenen Druckschriften
vorgenommen.“23 Die Schergen finden bei Faehse aber nur geistige Waffen:
„2 Hefte (Aufbruch)“.24 Auf Anordnung des Landrats vom 30. März wird er
dann in „Schutzhaft“ genommen unter dem Vorwurf, „in der Nacht vom 28.
zum 29. ds. Mts. [...] in Eckernförde und Borby von kommunistischer Seite
verbotene Flugblätter verbreitet“ zu haben. An dieser Aktion war auch eine
Reihe von Arbeitern aus der ländlichen Umgebung Eckernfördes beteiligt. In
einem der Flugblätter heißt es z. B.: „Wir sind da und wir bleiben da !!! [...]
Trotz Presse- Demonstrations- Versammlungsverbot und Verhaftungen kann
man uns nicht mundtot machen. [...] Das gesamte Proletariat von Eckernförde
und Borby fordert die sofortige Entlassung der zu Unrecht verhafteten,
und fordert die sofortige Entlassung des Bürgermeisters. Wir appellieren an
das gesamte Proletariat und verlangen sofortige entwaffnung der nationalen
Wehrverbände wie SS SA und Stahlhelm, und bewaffnung des Proletariats.
Die Früchte der nationalen Regierung bekommen wir schon zu spüren
denn durch die Margarinesteuer stiehlt man uns das letzte Fett vom Brot.
[...] Klassengenossen erkennt die Gefahr! Schließt Euch zusammen in der
roten Einheitsfront, und kämpft unter Führung der K.P.D. Denn nur durch
Kampf erreichen wir die Arbeiter- u. Bauernregierung.“25 Otto Faehse kann
sein Mandat in der Gemeindevertretung nicht mehr antreten. So heißt es im
Protokoll der konstituierenden Sitzung vom 4. April 1933: „Anwesend sind:
Gemeindevorsteher-Stellvertreter Gribbohm, Gemeindevertreter Buchmann,
Petersen, Christian Kock, Vosgerau, Bruhn, Allewelt, Lorenzen. Der kommunistische
Gemeindevertreter Faehse ist anweisungsgemäß nicht geladen.“26
Im Zuge der groß angelegten Verhaftungsaktion gegen die Eckernförder Arbeiterbewegung
vom 6. April 193327 wird auch Otto Faehse nach Schleswig
in die dortige Moltke-Kaserne abtransportiert. Dazu heißt es im Polizeibericht:
„Die Stadt war von der S.A. umstellt, ausserdem waren noch 3 Schutzpolizeibeamte
aus Schleswig bei der Aktion tätig. Die Arbeiter und Angestellten
der T.V.A., welche auf dem Wege zu ihrer Arbeitsstelle waren, wurden
abgefangen und zur Polizeiwache gebracht. Hier wurden die in Schutzhaft
genommenen Personen sortiert. Ein Teil konnte wieder gehen, während der
Rest, es waren 39 Personen, zu einem Transport zusammengestellt wurde
und auf 2 Lastkraftwagen nach Schleswig gebracht wurden. Unter den nach
Schleswig gebrachten Personen befinden sich auch die von der Polizeiverwaltung
Eckernförde in Schutzhaft genommenen 4 K.P.D. Führer (Faehse,
Bertelsmeyer, Brüggmann und Dassler). Der Transport verliess gegen 8 Uhr
Eckernförde. Dann wurden in den Wohnungen der Festgenommenen noch
Haussuchungen vorgenommen.“28
Otto Faehse bleibt bis Ende des Jahres in Haft. Im Rahmen einer „Weihnachtsamnestie“
wird er aus dem KZ Esterwegen im Emsland nach Hause
entlassen.29 Am 22. Dezember 1933 erhebt die Staatsanwaltschaft Kiel Anklage
gegen ihn und zehn weitere Teilnehmer an der Flugblattaktion vom 28.
und 31. März in Borby und Eckernförde.30 Am 21. Januar 1934 ist er über
See nach Dänemark emigriert.31

Heinz Christian Helmuth32 Kock wurde am 23.August 1907 in Borby geboren.
33 Sein Vater Johannes Friedrich August Kock war Arbeiter, geb. 1874
in Waabshof, er starb am 17. Juli 1933 in Eckernförde, wohnhaft in der Hinterstraße
57.34 Die Mutter Bertha, Jahrgang 1873, geb. Pantommel, stammte
aus Uderballen (Ostpreußen). Sie verstarb am 22. April 1965 in Eckernförde,
zuletzt wohnhaft in der der Siemensstraße 47.35 Helmuths Eltern heirateten
1898, er hatte sechs Geschwister. Sein letzter Wohnsitz in Eckernförde war
in der Hinterstraße 32, in der Nachbarschaft seines Elternhauses.36
Helmuth Kock hatte in seiner Jugend zunächst das Handwerk des Schmiedes
gelernt, später arbeitete er als Seemann. So wurde er dann auch in Unterlagen
der KPD bzw. Komintern37 geführt.38 Kock, der sieben Jahre jünger als
Faehse war, hat sich relativ spät – im Jahr 1930 – politisch auf Seiten der KPD
organisiert, also zu einer Zeit der dramatischen Zuspitzung gesellschaftlicher
Widersprüche und politischer Kämpfe. Er wird in den Kaderakten der Partei
als Funktionär einer Parteizelle und als Mitglied des Rotfrontkämpferbundes
bezeichnet.39


Helmuth Kock war wiederholt in tätliche Auseinandersetzungen mit Nationalsozialisten,
aber auch der Staatsgewalt verwickelt. Er wurde „durch
rechtskräftiges Urteil des Schöffengerichts in Kiel vom 16. Dezember 1931
zu einer Gefängnisstrafe von zwei Monaten verurteilt, weil er zusammen
mit anderen Angehörigen der KPD am 9. August 1931 SS-Angehörige auf
der Straße in Eckernförde umringt und misshandelt hat“ – so heißt es in einer
gerichtlichen Stellungnahme aus dem Jahr 1953.40 Und am 24. Oktober
1932 verurteilte man ihn zu drei Monaten Gefängnis wegen „Widerstand.“
Im Rahmen einer Kundgebung anlässlich eines Streiks war es auf dem Rathausmarkt
zur handgreiflichen Konfrontation mit der Polizei gekommen, in
deren Verlauf laut Gerichtsprotokoll Kock von der Polizei einen Schlag mit
dem Gummiknüppel erhalten hatte, worauf dem Polizisten der „Tschako
vom Kopf geschlagen wurde.“41


In einem Polizeibericht an den Landrat betreffs „Inschutzhaftnahme kommunistischer
Funktionäre“ vom 15. März 1933 heißt es dann: „Am 9. d. Mts.
wurde der Schmied Helmuth Kock in Schutzhaft genommen. Er ist der größte
Hetzer unter den Kommunisten und aus vielen Vorgängen bekannt. Er stand
in dem Verdacht, an dem Ueberfall auf den Steuer-Obersekretär Buchmann
beteiligt zu sein. [...] Da sich dieser Verdacht nicht bestätigte, wurde er am
10. d. Mts. wieder entlassen. Da Kock aber ein Provokateur der K.P.D. ist und
nach seinem Vorleben zu allen Taten fähig ist, habe ich ihn am 12. d. Mts.
erneut wieder in Schutzhaft nehmen lassen. Kock wird beschuldigt, dass er
die Unruhen am 14. Juli 1932 in Eckernförde provoziert und Herrn Landrat,
mich persönlich sowie die Herren Hudemann und Witt einige Tage danach
auf der Straße angerempelt hat, ferner, dass er ein allgemein übel beleumundeter
Mensch ist. Es wird beauftragt, aus diesem Grunde die Schutzhaft auch
weiterhin zu verfügen.“42


In der Tat war es am 14. Juli 1932, dem Tag, an dem die beim Sturm auf das
Eckernförder Gewerkschaftshaus am Sonntag zuvor ermordeten Landarbeiter
Buhs und Junge in Karby beigesetzt wurden, in Eckernförde zu „Unruhen“
gekommen. So schreibt die Eckernförder Zeitung am Tag darauf unter der
Überschrift „Nach der Kundgebung“ u. a.: „Eckernförde selbst erlebte den
Tag der Beerdigung nur als laute Massenkundgebung gegen den Faschismus.
Zwischen 8 und 10 Uhr abends passierte der größte Teil des Gefolges auf
dem Heimwege die Straßen. Die Männer waren bestaubt und verbrannt, die
Reise nach Eckernförde wird keine Erholungsfahrt für sie gewesen sein.
Aber ihre Rache-Rufe waren deshalb nicht weniger donnernd und drohend.
Daß es ihnen ernst damit war, bewiesen einige kleine Zwischenfälle. Am
Vogelsang wurde von einem Lastwagen aus die Ladenscheibe eines nationalsozialistischen
Handwerkers eingeworfen. In der Kieler Straße flogen
gleichfalls von einem Lastauto aus Steine in zwei große Scheiben des Hotels
‚Stadt Hamburg‘, die wahrscheinlich an die falsche Adresse gelangten und
der Nachbarschaft zugedacht gewesen waren.“43 Dass hierfür und manches
andere Helmuth Kock besondere Verantwortung getragen hätte, muss bezweifelt
werden. Die ca. 7.000 Teilnehmer der Beerdigung in Karby, in der
Regel Mitglieder der sozialdemokratisch orientierten „Eisernen Front“ und
der KPD, waren aus ganz Norddeutschland gekommen. Die Stimmung war
aufgeheizt; Kock wird einer von vielen gewesen sein, die ihrer Wut über
den feigen Mord an den beiden Landarbeitern Ausdruck verliehen haben.
Da die Beerdigung an einem Donnerstag stattfand, waren viele der daran
Teilnehmenden an diesem Tag in den Streik getreten. So berichtete „Die
Rote Fahne“ am Tag zuvor beispielsweise von einem Streikbeschluss bei
der Holzhandlung Gräf in Eckernförde.44


Über Kocks Lebensspuren im Jahr 1933 gibt es sich teilweise widersprechende
Berichte. Obwohl der oben erwähnte Polizeibericht keinen Zweifel an der
Verhaftung am 9. März 1933 lässt, hat seine Mutter 1953 im Rahmen einer
Gerichtsverhandlung zu ihrem Antrag auf Gewährung einer Hinterbliebenenrente
ausgesagt, nach der Machtübernahme der Nazis hätten SA und SS nach
ihrem Sohn gefahndet. „Er habe sich aber verborgen gehalten. Im Sommer
1933 sei er von dem Fischer Seidel in Eckernförde auf dem Wasserwege
nach Dänemark gebracht worden und seit dieser Zeit verschollen.“45 Seine
Schwester Magda Ivers, die 1933 in Kiel lebte, hat 1950 ausgesagt: „Mein
Bruder kam damals im Jahre 1933 eines Tages bei mir an und blieb nur
eine Nacht bei uns. Er war unruhig und wollte wieder zu seinen Eltern nach
Eckernförde. In Eckernförde ist er aber nicht mehr angekommen. Vermutlich
ist er unterwegs verhaftet worden. Ich habe dann nie wieder etwas von ihm
gehört.“46 Im gleichen Jahr gab seine Mutter zu Protokoll, ihr Sohn sei „am
9. Oktober 1933 [...] von Kiel aus mit unbekanntem Ziel abgereist, um einer
Verhaftung durch den Nationalsozialismus zu entgehen.“47


Jedenfalls muss Kock im Lauf des Jahres aus der „Schutzhaft“ entlassen
worden sein, vielleicht schon relativ bald, so dass er danach möglicherweise
wieder untergetaucht ist. In einem Gerichtsurteil vom 19. Februar 1937
gegen die Eckernförder Fischer Heinrich Otto und Otto Bock, die mit ihren
Booten Emigranten über See zur Flucht nach Dänemark verhalfen, ist von
„mindestens 8 Fahrten von Herbst 1933 bis 1934“ die Rede, durch die u. a.
auch Helmuth Kock und Otto Faehse außer Landes gebracht worden seien,
wobei – genau genommen – Kock von einem nicht „eindeutig kommunistisch“
organisierten Fischer transportiert wurde: „Der Angeklagte Se., der
früher parteipolitisch nicht gebunden war, hat einmal, als das Boot des Otto
wegen des Motorschadens nicht betriebsfähig war, im Herbst 1933 mit
seinem Boot eine Emigration vorgenommen. An ihn trat der Bruder seines
Schulfreundes Helmut Kock heran und ersuchte ihn, diesen nach Dänemark
zu schaffen. Ihm war bekannt, daß Helmut Kock früher eifrig für die KPD
tätig gewesen war.[...] Am Strand von Hemmelmark stiegen die zwei zu
emigrierenden Hamburger, darunter Loewe und Edmund R., der Leiter der
Roten Hilfe in Eckernförde, den Se. bisher nicht kannte, zu. Am Strand von
Noer verließ er das Boot, und es stieg Helmut Kock zu.“48


Nachdem sie seit der Flucht ihres Sohnes 1933 von ihm kein Lebenszeichen
mehr erhalten hatte, stellte Bertha Kock 1948 beim Sonderhilfsausschuss des
Kreises Eckernförde einen Antrag auf Anerkennung des Verschollenen als
Opfer des Nationalsozialismus. Dies wurde zunächst bewilligt, so dass sie im
gleichen Jahr für sich eine entsprechende Hinterbliebenenrente beantragte.
Aufgrund einer veränderten Rechtslage lehnte aber der Rentenausschuss des
Landes die Gewährung der Rente ab, was letztendlich am 1. September 1953
vom Landesverwaltungsgericht bestätigt wurde. In diesem Zusammenhang
war Helmuth Kock bereits am 9. Januar 1951 vom Amtsgericht Eckernförde
für tot erklärt worden. Kern der Argumentation des Landesverwaltungsgerichtes
war die Behauptung, Kock sei 1933 „nicht in Haft genommen
worden“, habe sich als Kommunist zwar möglicherweise bedroht gefühlt,
aber sich „sowohl in Deutschland als auch in der Emigration in Freiheit
befunden“. 49


Ebenso abgelehnt wurde vom Landgericht Kiel 1958 eine Entschädigung
wegen „Verdrängung aus einer selbständigen Erwerbstätigkeit“. Bertha Kock
hatte aufgrund der Verhaftung ihres Sohnes 1933 ihren Fisch-Kleinhandel,
den sie mit einem Wandergewerbeschein 23 Jahre lang betrieben hatte, nicht
mehr ausüben können. Morgens war sie gewöhnlich mit dem ersten Zug der
Kreisbahn hinausgefahren und hatte auf den Dörfern Seefisch angeboten,
vor allem in „Brekendorf, Ascheffel, Ahlefeld, Hütten, Damendorf, Loose,
Rieseby [...] Ende April 1933 ging der Umsatz plötzlich rapide zurück“.
Nachdem „eine Versammlung bei Reimer“50 stattgefunden und es sich herumgesprochen
habe, dass ihr Sohn Kommunist sei, habe man ihr keine Fische
mehr abgekauft – so die Aussage Bertha Kocks vor Gericht.51 Jetzt – in den
fünfziger Jahren – lebte sie verarmt in der Eckernförder Mühlenstraße 6.


FLUCHT UND EXIL


Im Gegensatz zu vielen anderen Emigranten, die Deutschland nach Errichtung
der Naziherrschaft aus politischen Gründen verließen, waren Otto
Faehse und Helmuth Kock nicht einfach Flüchtlinge, die relativ spontan
handelten und vor den Nazis flohen, sondern sie taten dies im Parteiauftrag
unter Beteiligung der Internationalen Roten Hilfe. Ihr eigentliches Ziel war
nicht Dänemark, auch nicht ein anderes skandinavisches Land, sondern die
Sowjetunion. Ob sie zunächst für längere Zeit in Dänemark bleiben sollten,
ist unklar. Thomas Pusch, der die Geschichte von „Schleswig-Holsteinischen
EmigrantInnen“ im skandinavischen Exil untersucht hat, rechnet die beiden
jedenfalls zu „Trans-EmigrantInnen und FunktionärInnen in der Illegalität“
bzw. zu den „in die UdSSR abgerufenen Kader(n)“.52 Laut Pusch gilt dies
auch für Otto Faehses Ehefrau Hilde, die Eckernförde im Mai 1934 verlassen
hat, um ihrem Mann in die Sowjetunion nachzufolgen. Unter den persönlichen
Daten „Faehse, geb. Hansen, Hilde (ohne Beruf) geb. in Dorotheenthal,
07.01.1903“ findet sich am 23. Mai 1934 im städtischen „Pass-Journal“ der
Eintrag „Ausreise nach Rußland“.53 In einem Antrag des Eckernförder Bürgermeisters
„als Ortspolizeibehörde“ vom 11. Oktober 1934 an den Landrat
betreffs Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit Otto Faehses heißt
es: Seine Frau „und 2 Kinder, 8 Jahre alt – Zwillingspaar – sind im August
ds. Js. mit Reisepaß versehen, nachgereist.“ Und in einem Vermerk der Polizeistelle
Eckernförde vom 10. Juni 1936 steht: „Anfang 1934 ist Faehse
von Eckernförde nach Rußland ausgewandert. Seine Familie hat er am 10.
August 1934 nach Stalingrad nach geholt.“54


Die Lebensspuren der Familie Faehse und Helmuth Kocks in der Sowjetunion
sind zurzeit nur bruchstückhaft zu erkennen.55 In einem Schreiben des
Sekretariats der Dänischen Kommunistischen Partei vom 27. Februar 1934
an die Niederlassung der KPdSU in Kopenhagen heißt es: „Wir übermitteln
Euch folgende Auskünfte über Emigranten, die aus Dänemark ausgewiesen
werden und nach SU fahren...“ Genannt werden u. a. Otto Faehse und Helmuth
Kock.56 Als gesichert gilt, dass Faehse Dänemark im April des Jahres
in Richtung Sowjetunion verlassen hat, Kock im Mai.57 Am 16. Mai 1934
wird gegen Otto Faehse im Zusammenhang mit der Flugblattaktion im März
1933 in Eckernförde ein Haftbefehl erlassen.


Otto Faehse lebte mit seiner Familie zunächst in Stalingrad. In einem Briefwechsel
zwischen dem Eckernförder Bürgermeister, dem Landrat und der
Gestapo-Zentrale in Berlin betreffs Aberkennung der Staatsbürgerschaft wird
ein Brief Hilde Faehses vom September 1934 erwähnt, den sie aus Stahlgres,
einem Stadtteil am Rande Stalingrads, wo sich ein großes Energiekombinat
befand, an Angehörige in Eckernförde geschrieben hatte. Der Brief war von
der Gestapo geöffnet worden, habe den „Aufenthalt in Rußland nachgewiesen“,
sei aber „weiterhin belanglos“ gewesen. Die Gestapo-Zentrale lehnte
den Ausbürgerungsantrag von Bürgermeister und Landrat ab, denn bei Faehse
handele es sich um „einen staatspolitisch bedeutungslosen, kleinen Übeltäter...“
Über dessen Tätigkeit im Ausland solle aber weiter ermittelt werden
(„...im Benehmen mit der Staatspolizeistelle Altona...“). Dann könne ggf.
ein neuer Antrag auf Aberkennung der Staatsbürgerschaft gestellt werden.58


Helmuth Kock verschlug es zunächst in die Gegend um Moskau. In seiner
Vernehmung durch die Gestapo Hamburg am 23. September 1942 sagte der
kommunistische Widerstandskämpfer Walter Gersmann aus, er sei im Juli
1934 in eine Fabrik für landwirtschaftliche Maschinen nach „Luberzi bei
Moskau“ (Ljuberzy) gemeinsam u. a. mit „Helmut Kokk aus Eckernförde“
gekommen. Dort hätten bereits mehrere Emigranten gearbeitet. Im Jahr 1936
arbeitet Kock in Taganrog am Asowschen Meer in einer Schiffswerft. Im August
1937 wird er verhaftet. Otto Faehse ereilt dieses Schicksal in Rostow am
Don im März 1938.59 In beider Kaderakten, die im Russischen Staatsarchiv
für sozial-politische Geschichte in Moskau aufbewahrt werden, ist von ihrer
Überführung aus der KPD in die KPdSU(B) die Rede. In Kocks Akte findet
sich dieser Vermerk mit dem Datum 15. Juli 1936.60


Welcher Verfehlungen die beiden Emigranten angeklagt wurden, ist bisher
nicht zu erfahren gewesen. Ihre Kaderakten enthalten dazu nichts. Beide
wurden nach ihrer Verhaftung durch die Führung der KPD um Wilhelm Pieck
in Moskau aus der Partei ausgeschlossen. Im Fall Kock wird im entsprechenden
Beschlussprotokoll vom 25. August 1937 dabei als Grund angegeben:
„Wegen Verbindung mit partei- und klassenfeindlichen Elementen und Begünstigung
ihrer Verbrechen infolge mangelnder politischer Wachsamkeit,
politische Zersetzungsarbeit“.61 Helmuth Kocks weiteres Schicksal ist unbekannt;
möglicherweise wurde er sofort erschossen oder ist im GULAG
ums Leben gekommen.


Otto Faehse war von deutscher Seite auf einer „Sonderfahndungsliste“ für die
Einsatzgruppen der Wehrmacht im Russlandfeldzug zur Verhaftung vorgesehen.
Als Hitlers Truppen die Sowjetunion überfielen, war der Gesuchte bereits
auf der Gegenseite in Haft. In Otto Faehses Kaderakte heißt es: Er „wurde
am 28.9.1938 von der Sonderberatung des NKWD der UdSSR zu 10 Jahren
Freiheitsentzug verurteilt und ist am 25.10.1941 am Haftort verstorben. Das
Strafverfahren gegen ihn wurde nicht wieder aufgenommen.“62
Rätselhaft erschien bis vor kurzem das Schicksal Hilde Faehses. Laut Alexander
Vatlin wurde am 14.03.1938 ein Fritz Kisch (eigentlich: Fritz Kiesch)
in Moskau verhaftet; seine Ehefrau war Hilde Faehse.63 Im gleichen Monat
wurde Otto Faehse in Rostow am Don verhaftet. Hatten er und Hilde sich
getrennt? Oder war sie nach Ottos Verhaftung rasch eine neue Ehebeziehung
eingegangen, wie es damals aus ganz pragmatischen Gründen häufig
geschah? Tatsächlich fand Frauke Dettmer kürzlich heraus, dass das Ehepaar
Faehse sich bereits 1936 getrennt hatte und Hilde eine neue Ehe mit dem Emigranten
Fritz Kiesch eingegangen war64. Hilde Faehse wurde am 26.06.1941
selbst verhaftet und am 26.02.1942 zu fünf, bzw. acht Jahren Haft verurteilt.
Ihr weiteres Schicksal und das der Kinder ist bisher unbekannt.


DER „GROSSE TERROR“ UND DIE „DEUTSCHE OPERATION“
DES NKWD 1937–1938


Um Ursachen und Zeitpunkt für die Verhaftungen von Otto und Hilde Faehse
und Helmuth Kock in der Sowjetunion zu verstehen, ist ein Blick auf
die Rahmenbedingungen der stalinistischen Repressionen der 30er Jahre
notwendig, die an dieser Stelle natürlich nur in groben Zügen dargestellt
werden können.65


Warum es zum „Großen Terror“ der Jahre 1937/1938 kam – dies ist seit Jahrzehnten
Gegenstand von Kontroversen unter Historikern. Als relativ gesichert
gilt, dass die außenpolitische Wahrnehmung Stalins und seiner Gefolgsleute
sich dramatisch geändert hatte. Maßgeblich hierfür waren: die Machtübernahme
der Nationalsozialisten in Deutschland, deren forcierte Aufrüstung
und Kriegsvorbereitungen, die Niederlage der spanischen Republik im
Bürgerkrieg, die Annäherung zwischen Deutschland und Italien ab 1936,
der Aufstieg des japanischen Imperialismus, eine Änderung der politischen
Strategie auf dem VII. Weltkongress der Kommunistischen Internationale
1935 (Volksfrontstrategie als Bündnis mit bürgerlichen Kräften im Kampf
gegen den Faschismus). Hinzu kamen innenpolitische Gründe, die u. a. mit
der Verschärfung gesellschaftlicher Konflikte im Zusammenhang mit der
Zwangskollektivierung der Landwirtschaft und der brutalen Verfolgung der
„Kulaken“ in Verbindung standen. Außerdem wurde nach „Sündenböcken“
für Probleme in der sowjetischen Wirtschaft gesucht.


Die Ermordung Kirows, des Ersten Sekretärs der Leningrader Parteiorganisation,
am 1.12.1934 nahm Stalin zum Anlass für den Beginn umfangreicher
„Säuberungen“. Das politische Klima verschob sich weg vom traditionellen
Internationalismus der kommunistischen Weltbewegung noch stärker zur
Strategie des „Sozialismus in einem Land“ und bewegte sich in Richtung
eines „großrussischen Nationalismus“.66 Ab 1935 wurden Ausländer,

Arbeitsemigranten und auch kommunistische Politemigranten, mehr und mehr
kritisch betrachtet und gerieten unter den Generalverdacht, als Agenten des
feindlichen Auslands eingeschleust worden zu sein. Zugleich wurden alle,
die in den Reihen der KPdSU(B), anderer Sektionen der Komintern und
deren zentralem Apparat jemals der offiziellen „Linie“ kritisch bzw. offen
oppositionell gegenübergestanden hatten, verdächtigt, als „Diversanten“ und
„Volksfeinde“ mit diesen ausländischen „Spionen und Agenten“ in Verbindung
zu stehen und den Sturz Stalins und der Führung der KPdSU(B) zu
betreiben. Offenbar befürchtete Stalin eine mögliche Entmachtung durch eine
tatsächliche oder bloß eingebildete Opposition, die im Kriegsfall die Sowjetunion
entscheidend schwächen könnte. Die KPD-Führung in Moskau trug
diesen Kurs mit und ließ im Zusammenhang mit der möglichen Überführung
der KPD-Mitglieder in die KPdSU(B) im Jahr 1936 die „Parteibiographie“
von ca. 3.000 deutschen Kommunisten auf frühere Abweichungen von der
Parteilinie untersuchen.67 Die Überführungskommission spürte „Trotzkisten“,
„Brandleristen“, „Versöhnler“ und andere Verdächtige auf und meldete
sie dem NKWD. Politemigranten, die in Deutschland „Schutzhaft“ oder KZ
erlitten hatten, wurden pauschal der „Zugehörigkeit zu Geheimdiensten“,
also der Spionage für Nazideutschland verdächtigt.68 In einer „Resolution
des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Deutschlands zu den
konterrevolutionären trotzkistisch-sinowjewistischen Verbrechen gegen die
Arbeiterklasse“ vom 17. September 1936 stellte sich die KPD voll und ganz
hinter Stalin.69 Erst später, als immer mehr deutsche Genossen verhaftet
worden waren, kamen Zweifel auf – zu spät.


Stalin ließ in drei groß angelegten Schauprozessen international bekannte
Kommunisten unter aberwitzigen und erfundenen Beschuldigungen anklagen
und verurteilen: Vom 19. bis 24. August 1936 ging es „gegen das
‚trotzkistisch-sinowjewistische terroristische Zentrum‘ (G. J. Sinowjew, L.
B. Kamenew u. a.), vom 23. bis 30. Januar 1937 gegen das ‚sowjetfeindliche
trotzkistische Zentrum‘ (J. L. Pjatakow, K. B. Radek u. a.) und vom 2. bis 13.
März 1938 gegen den ‚antisowjetischen Block der Rechten und Trotzkisten‘
(N. I. Bucharin, A. I. Rykow u. a.). Im Juni 1937 fand der Geheimprozeß
gegen Marschall Tuchatschewski und andere Befehlshaber der Roten Armee
statt.“70 Im ersten Prozess wurde z. B. auch Fritz David, enger Mitarbeiter
von Wilhelm Pieck71, zum Tode verurteilt und dann sofort erschossen.


Die Repressionen betrafen aber nicht nur Parteiführer. In den Jahren 1937/1938
„wurden an die zwei Millionen Menschen verhaftet, an die 700.000 ermordet,
fast 1,3 Millionen in Lager und Arbeitskolonien verschickt.“72 In den stalinistischen
„Säuberungen“ nicht nur dieser Jahre wurden „über eine Million
sowjetische Kommunisten ermordet“ und darüber hinaus „breite Schichten
der Bevölkerung“.73


Kern des „Großen Terrors“ waren zwölf „Massenoperationen“, die sich jeweils
gegen bestimmte gesellschaftliche Gruppen richteten, sich aber in der
praktischen Umsetzung überschnitten. Als erstes wurde in Stalins Kabinett
am 20. Juli 1937 die „Deutsche Operation“ beschlossen und am 25. Juli als
NKWD-Befehl Nr. 00439 verfügt. Summarisch wurden alle in der Sowjetunion
lebenden deutschen Staatsbürger, Arbeits- oder Politemigranten, aber
auch Sowjetbürger deutscher Herkunft „als Spione, Agenten, Terroristen
verdächtigt“.74 Wörtlich hieß es in dem Befehl: „Agentur- und Untersuchungs-

materialien der letzten Zeit beweisen, daß der deutsche Generalstab
und die Gestapo in großem Umfang Spionage- und Diversionstätigkeit in
den wichtigsten Unternehmen, vorrangig der Rüstungsindustrie, organisieren,
wofür sie die dort vorhandenen Kader deutscher Staatsbürgerschaft
nutzen. Die Agenten unter den deutschen Staatsangehörigen, die schon jetzt
Sabotage- und Diversionsakte leisten, richten ihr Hauptaugenmerk auf die
Organisierung von Diversionsakten für die Zeit des Krieges und bereiten die
Diversionskader auf diese Ziele vor.“75


Die Verhaftungsaktion lief am 29. Juli 1937 an und dauerte, nachdem sie wiederholt
verlängert worden war, bis in den November 1938. Es sollten zunächst
„alle deutschen Staatsbürger verhaftet werden, die in Militärbetrieben und
Werken, die für die Landesverteidigung und im Eisenbahnwesen arbeiteten
oder aus Betrieben entlassen worden waren, aber auch jene Deutsche, die
sich in der Region niedergelassen haben und dort lebten“.76 Später wurde
der Befehl in der Praxis auf alle ihrer Nationalität nach Deutschen und auf
alle anderen, die mit ihnen in irgendeiner Weise in Verbindung standen,
ausgedehnt. So kam es zu mindestens 70.000 Verhaftungen und - nach heutigem
Kenntnisstand – zu 55.005 Verurteilungen, darunter 41.989 Todesurteilen.77

 

Es waren also weit mehr Menschen betroffen als die im Lande lebenden
deutschen Staatsbürger.78 Allein im Gebiet Rostow am Don, in dem sich Otto
Faehse und Helmuth Kock aufhielten, wurden im Rahmen der „Deutschen
Operation“ insgesamt 339 Personen zum Tode, 327 zu einer anderen Strafe
(Lagerhaft oder Gefängnis) verurteilt.79
Begrenzt man die Zahl der Opfer auf Deutsche im engeren Sinn, so wurden
in der gesamten Sowjetunion „vom 29. Juli 1937 bis 3. November 1938 1.761
Personen vom NKWD verhaftet. [...] Von den 997 zwischen 1936 und 1945
zu GULAG verurteilten Deutschen waren es 1937/38 417. Von insgesamt
1.019 zwischen 1936 und 1945 in der UdSSR ermordeten deutschen Männern
und Frauen wurden im Verlauf der ‚Deutschen Operation‘ 417 erschossen.“80
Helmuth Kock wurde gleich zu Anfang im August 1937 verhaftet und Otto
Faehse im März 1938, als die Aktion ihren quantitativen Höhepunkt erreichte.
In einem Bericht von Paul Jäkel an das Zentralkomitee der KPD vom 29.
April 1938 heißt es: „Man kann sagen, daß über 70 % der Mitglieder der KPD
verhaftet sind. Wenn Verhaftungen in dem Umfang wie im Monat März ihren
Fortgang nehmen, so bleibt in drei Wochen kein einziges Parteimitglied mehr
übrig.“81 „Während Anfang 1937 rund 1.300 KPD-Mitglieder ihre Beiträge
an die deutsche Vertretung beim EKKI entrichteten, gibt es jetzt nur noch
378 zahlende Mitglieder.“82 Mehr als 90 Personen aus Schleswig-Holstein,
einschließlich Lebenspartnern und Kindern, wurden Opfer der „Deutschen
Operation“.83


Das ungeheure Ausmaß der zwölf „Massenoperationen“ zeigt z. B. auch
die nach NKWD-Befehl 00485 am 20. August 1937 angelaufene „Polnische
Operation“: Es kam zu insgesamt 139.835 Verurteilungen, darunter
111.091 Todesurteilen. Die Kommunistische Partei Polens wurde praktisch
ausgelöscht. Erst nach einem Beschluss des Politbüros der KPdSU vom 17.
November 1938 kamen die „Massenoperationen“ zum Stillstand. Nun wurde
das NKWD selbst zum Opfer aufgrund von „Fehlern“. Diese wiederum seien
„das Werk des Feindes gewesen.“84 Jeshow, der zuständige Volkskommissar
des Inneren trat zurück und wurde am 4. Februar 1940 erschossen.
Die Repressionen gegen angebliche „Volksfeinde“ waren aber nicht zu Ende.
Dass Hilde Faehse am 26. Juni 1941 verhaftet wurde, vier Tage nach dem
Überfall Hitlerdeutschlands auf die Sowjetunion, dürfte kein Zufall gewesen
sein.


OFFENE FRAGEN


Die Schicksale von Otto und Hilde Faehse und Helmuth Kock sind uns bisher
nur bruchstückhaft bekannt. Ihre Erforschung stößt weiterhin auf große
Schwierigkeiten. Wie verlief ihr Alltag in der UdSSR? Wessen wurden sie
beschuldigt, mit welchen Begründungen verurteilt? Trotz einer nach 1989
einsetzenden Öffnung der Archive in der ehemaligen UdSSR ist es auch
heute noch nicht möglich, alle Fakten im Zusammenhang mit den stalinistischen
Repressionen an Politemigranten zu erfahren. Die Strafakten, in kyrillischer
Schrift, sind grundsätzlich nur Familienangehörigen zugänglich.85
Viele Informationen lagern in regionalen Archiven im gesamten Gebiet der
ehemaligen UdSSR. Von einer zentralen Erfassung der Daten aller Opfer
des „Großen Terrors“ und deren Schicksal kann noch keine Rede sein. Die
russische Organisation MEMORIAL hat ca. eine Million Opferdaten in einer
Datei erfasst,86 gerät aber neuerdings zunehmend unter politischen Druck
von Seiten der russischen Regierung, die anscheinend immer weniger an der
Aufklärung der 1930er Jahre interessiert ist. Grund hierfür dürfte eine verschärfte
Konfrontation zwischen Russland, den USA und Westeuropa sein.


Von den ca. 8.000 in den Jahren von 1936 bis 1945 in der Sowjetunion lebenden
deutschen Emigranten kamen ca. 2.500 zu Tode, ca. 1.500 kehrten
nach dem Krieg, häufig erst in den 1950er Jahren, nach Deutschland zurück,
zumeist in die DDR.87 Dort durften die Betroffenen über ihre Erlebnisse
nicht offen sprechen, wurden jedoch in der Regel als Opfer des Faschismus
anerkannt – mit entsprechender Entschädigung. Auch nach dem zwanzigsten
Parteitag der KPdSU im Jahr 1956, auf dem erstmals die stalinistischen Verbrechen
in größerem Umfang thematisiert wurden, blieb die Aufarbeitung der
Opfer durch die SED halbherzig und lückenhaft. Sie hätte nicht ins Bild der
offiziellen Parole „Von der Sowjetunion lernen, heißt siegen lernen“ gepasst.
Man fürchtete, ein offener Umgang mit ihrer gesamten Geschichte würde
die Rolle der Sowjetunion beim Sieg über Nazideutschland hinterfragen.88
Während im Rahmen einer nachträglichen Kritik am „Personenkult“ viele
ehemalige Parteiführer der KPD offiziell rehabilitiert wurden, traf dies nicht
auf die vielen unbekannten Kommunisten an der Parteibasis zu.


Nach dem 1956 in der Bundesrepublik erfolgten KPD-Verbot war auch hierzulande
ein offener Partei-Diskurs in dieser Frage nicht möglich. Zuvor war
die KPD der von der SED vorgegebenen Linie gefolgt und hatte viele kritische
oder irgendwelcher ideologischer Abweichungen verdächtige Parteimitglieder
ausgeschlossen. Auch in der 1968 neu gegründeten DKP änderte sich
im Umgang mit der stalinistischen Vergangenheit wenig. Allerdings wurden
bisher tabuisierte Themen im Gegensatz zur Bruderpartei offener diskutiert.89
Mit dem Untergang der DDR und der Umgründung der SED zur PDS im
Jahr 1989 erfolgte ein grundlegender Wandel. Das „Institut für Marxismus-
Leninismus beim Zentralkomitee der SED“ in Berlin wurde umgewandelt
in ein „Institut für Geschichte der Arbeiterbewegung.“90 Dieses gab 1991
das Buch „In den Fängen des NKWD. Deutsche Opfer des stalinistischen
Terrors in der UdSSR“ heraus, worin Otto Faehse und Helmuth Kock genannt
wurden. Auch wenn viele ihrer Lebensspuren noch nicht bekannt sind, wirft
das Wenige, das wir über das tragische Schicksal von Otto und Hilde Faehse
und Helmuth Kock wissen, schon jetzt die Frage auf, in welcher Form wir
ihrer in Eckernförde gedenken wollen.

Anmerkungen:


1 Rudi Jürgensen führt in seinem Buch „ Hermann Ivers und seine Genossen“ allein von kommunistischer Seite 40 Namen von Opfern auf.
2 Dettmer, Frauke: Emigranten... S. 248 und 256 / Vergessen und verdrängt.... S. 131 / In den Fängen des NKWD... spricht in beiden Fällen von „Verhaftung“ (S. 68 und 119).
3 Jürgensen, Rudi: Hermann Ivers... S. 96.
4 Schreiben des Russischen Staatsarchivs für sozial-politische Geschichte in Moskau vom 29.12.2014 an den Autor zum Inhalt der dort aufbewahrten Kaderakte Otto Faehses und Helmuth Kocks.
5 Vatlin, Alexander: „ Was für ein Teufelspack“ ... S. 304.
6 vgl.: Frauke Dettmers Aufsatz in diesem Jahrbuch
7 In den Fängen des NKWD... S. 119.
8 Sterbebuch Eckernförde-Stadt, 1907, Nr. 66.
9 Heiratsbuch Eckernförde-Stadt, 1888, Nr. 9.
10 Sterbebuch Eckernförde-Stadt, 1911, Nr. 100.
11 Sterbebuch Eckernförde-Stadt, 1907, Nr. 66.
12 Adressbuch Eckernförde 1925.
13 In den Fängen des NKWD... S. 68.
14 Dettmer a. a. O., S. 248.
15 StAE II H 15 (1924 - 1930, Kommunistische Umtriebe).
16 vgl.: Vergessen und verdrängt.... S. 122 ff.
17 Die Rote Fahne 12.07.1932.
18 Die Rote Fahne, 13.07.1932.
19 BA / Unterlagen des Reichssicherheitshauptamtes.
20 StAE II H 16 (1922–1933).
21 ebda.
22 Vergessen und verdrängt... S. 167.
23 StAE II H 16 (1933–1945).
24 ebda.
25 LAS / Abt. 352 Kiel / Nr. 3620 (Rechtschreibung wie im Original).
26 StAE Borby IVd, Gemeindevertretung (1901–29/ 1919–33).
27 Vergessen und verdrängt, S. 159 ff.
28 StAE II H 16 (1922 - 1933) Die falsche Schreibweise „ Feahse“ findet sich dort.
29 Jürgensen, Rudi: Hermann Ivers... S. 67 / Auskunft der Gedenkstätte des KZ Esterwegen.
30 LAS / Abt. 352 Kiel / Nr. 3620.
31 FZH / Sammlung Pusch / Faehse.
32 Die Schreibweise des Vornamens variiert in den Quellen zwischen Helmuth und Helmut. Ich schließe mich der in „ In den Fängen des NKWD“ verwendeten an.
33 Auskunft des Bundesarchivs.
34 heute: Gudewerdtstraße / Sterbebuch Eckernförde Nr. 74/1933.
35 Sterbebuch Eck Nr. 110/1965.
36 FZH / Sammlung Pusch / Kock.
37 Kommunistische Internationale.
38 In den Fängen... S. 119.
39 ebda.
40 FZH / Sammlung Pusch / Kock.
41 LAS / Abt. 352 Kiel / Nr. 3435.
42 StAE II H 16 (1922–1933).
43 Eckernförder Zeitung 15.07.1932.
44 Die Rote Fahne 13.07.1932.
45 FZH / Sammlung Pusch / Faehse.
46 LAS / Abt. 352 Kiel, Nr. 3435 / Magda Ivers lebte 1933 in Kiel.
47 LAS / Abt. 352 Kiel / Nr. 3435.
48 zitiert nach: Vergessen und verdrängt.... S. 178 f.
49 Aktenzeichen 5 K 61/53, Sammlung Pusch / Kock.
50 Es handelt sich höchstwahrscheinlich um die damalige Bahnhofsgaststätte Reimer in Brekendorf, da nach Aussage Bertha Kocks sie zunächst hier keine Fische mehr verkaufen konnte. (Zur Bahnhofsgaststätte Reimer vgl.: Chronik der Gemeinde Brekendorf. S. 334 f.).
51 LAS / Abt. 352 Kiel, Nr. 13541.
52 Pusch, Thomas: Politisches Exil... S. 56.
53 StAE / Pass-Journal 1930–1936.
54 LAS / Abt. 30.600 und Abt. 352 Kiel, Nr. 3620 / Strafsache gegen Faehse und Genossen.
55 Neue Erkenntnisse zu Hilde Faehses Schicksal haben sich aus Forschungen Frauke Dettmers ergeben. Vgl. ihren Aufsatz in diesem Jahrbuch.
56 FZH / Sammlung Pusch / Faehse.
57 In den Fängen... S. 68 und 119 / eine Liste aus dem deutschen Reichssicherheitshauptamt von1936 nennt als Emigrationsdaten den 04.041934 und den 03.05.1934 (Pusch... S. 58) / Faehse wurde am 17.05.1934 in der UdSSR als Emigrant offiziell anerkannt, Kock am 22.05.1934. (NKWD und Gestapo. Liste deutscher Politemigranten in der Sowjetunion aus den Jahren 1925–1940).
58 LAS / Abt. 30.600.
59 Auskunft von Wladislaw Hedeler, Berlin.
60 Schreiben des Russischen Staatsarchivs für sozial-politische Geschichte in Moskau vom
29.12.2014 an den Autor.
61 FZH / Sammlung Pusch / Kock.
62 siehe Anmerkung 60.
63 Vatlin a.a.O. S. 234.
64 vgl. den Aufsatz Frauke Dettmers in diesem Jahrbuch.“
65 vgl. z. B. Schlögel, Karl: Terror und Traum... / Verbrechen im Namen der Idee... / In den Fängen
des NKWD / Deutschland, Russland, Komintern...
66 Müller, Reinhard: „ Wir kommen alle dran“ ... S. 34.
67 So erklärt sich auch der Eintrag in Helmuth Kocks Kaderakte (15.07.1936).
68 Müller a.a.O., S. 22.
69 In den Fängen... S. 291 ff.
70 ebda. S. 366.
71 nach der Verhaftung Ernst Thälmanns in Deutschland amtierender KPD-Vorsitzender und Mitglied des Exekutiv-Komitees der Kommunistischen Internationale (EKKI).
72 Schlögel a.a.O. S. 21.
73 Weber, Hermann: Weiße Flecken... S. 13.
74 Schlögel a.a.O. S. 628.
75 Deutschland, Russland, Komintern. II. Dokumente.... S. 1386.
76 a.a.O. S. 637.
77 ebda.
78 Bisher wurden 8.011 Namen von Deutschen ermittelt, die sich irgendwann zwischen 1936 und 1945 in der UdSSR aufhielten. (Hedeler, Wladislaw / Münz-Koenen, Inge: Unter Generalverdacht....S. 42). In den Jahren 1936/37 hielten sich vermutlich 5.000– 6.000 deutsche Arbeits- und Politemigranten in der UdSSR auf (Deutschland, Russland, Komintern..., S. 366). Von der „Deutschen Operation“ waren im Übrigen auch „Russlanddeutsche“ betroffen, die schon lange die sowjetische Staatsbürgerschaft besaßen.
79 Verbrechen im Namen... S. 188.
80 Hedeler / Münz-Koenen... S. 43 / Ulla Plehner nennt 567 Namen von Ermordeten. (Verurteilt zur Höchststrafe.... S. 147).
81 Ich kam in euer Land... S. 193.
82 ebda. S. 196.
83 Dettmer a.a.O... S. 239 / In einer Anmerkung heißt es: „ Stand Ende 2010: 130 Personen“.
84 Schlögel a.a.O... S. 640.
85 Im März 2015 teilte das zuständige russische Zentralarchiv dem Autor mit, dass weder über Otto Faehse noch Helmuth Kock Anklageschriften aufzufinden sind.
86 Otto und Hilde Faehse sowie Helmuth Kock sind darin nicht enthalten.
87 Zahlenangaben von Wladislaw Hedeler, Berlin.
88 So erschienen die stalinistischen Verbrechen als eine Art notwendiges Übel, das den Sieg der Sowjetunion über Nazideutschland erst ermöglicht hätte. Für diese These gibt es keinen plausiblen Beweis. Tatsächlich hatte die Vernichtung eines Großteils des Offizierskorps im Zuge des „ Großen Terrors“ eine erhebliche Schwächung der Roten Armee zur Folge, was den Vormarsch der Wehrmacht begünstigte. Wäre die Rote Armee besser auf den deutschen Überfall vorbereitet gewesen, wären vermutlich weniger Menschen im Krieg auf dem Boden der Sowjetunion ums Leben gekommen.
89 vgl. Weber, Hermann: Weiße Flecken...
90 Es wurde aber rasch „abgewickelt“.


Abkürzungen:


DKP Deutsche Kommunistische Partei
EKKI Exekutivkomitee der Kommunistischen Internationale
GESTAPO Geheime Staatspolizei
GULAG System von Straf- und Zwangsarbeiterlagern und Gefängnissen in der SU
KPD Kommunistische Partei Deutschlands
KPdSU (B) Kommunistische Partei der Sowjetunion (Bolschewiki)
NKWD Volkskommissariat für innere Angelegenheiten der SU
NSDAP Nationalsozialistische Partei Deutschlands
PDS Partei des Demokratischen Sozialismus
SED Sozialistische Einheitspartei Deutschlands
SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands
SU Sowjetunion
USPD Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands


Literatur:


Chronik der Gemeinde Brekendorf. Hrsg. von der Gemeinde Brekendorf. Bearb. v. Voigt, Claus.- Brekendorf: Selbstverlag der Gemeinde Brekendorf, 1996.
Dettmer, Frauke: Emigranten aus Schleswig-Holstein in der stalinistischen Sowjetunion. In: ZSHG 136 (2011), S. 237–266.
Deutschland, Russland, Komintern. I. Überblicke, Analysen, Diskussionen.- Neue Perspektiven auf die Geschichte der KPD und die Deutsch-Russischen Beziehungen (1918– 1943).- Hrsg. v. Weber, Hermann, u. a. . Berlin: de Gruyter, 2014. (Archive des Kommunismus - Pfade des XX. Jahrhunderts; Bd. 5)
Deutschland, Russland, Komintern. II. Dokumente (1918–1943). Nach der Archivrevolution: Neuerschlossene Quellen zu der Geschichte der KPD und den deutsch-russischen Beziehungen. Hrsg. v. Weber, Hermann, u. a. . Berlin: de Gruyter, 2015. (Archive des Kommunismus - Pfade des XX. Jahrhunderts; Bd. 6,1 und 6,2)
Hedeler, Wladislaw / Münz-Koenen, Inge: Unter Generalverdacht: Vor 75 Jahren begann die ‚Deutsche Operation‘ des NKWD. In: Zeitschrift ‚Disput‘. Hrsg. von der Partei DIE LINKE.- Juli 2012.
„Ich kam als Gast in euer Land gereist...“ Deutsche Hitlergegner als Opfer des Stalinterrors. Familienschicksale 1933–1956. Hrsg. v. Hedeler, Wladislaw; Münz-Koenen, Inge. Berlin: Lukas, 2013.
In den Fängen des NKWD. Deutsche Opfer des stalinistischen Terrors in der UdSSR. Hrsg. vom Institut für Geschichte der Arbeiterbewegung. Berlin: Dietz, 1991.
Jürgensen, Rudi: Hermann Ivers und seine Genossen. Frauen und Männer aus Eckernförde im Widerstand. Goldebek: Mohland, 2000.
Müller, Reinhard: „Wir kommen alle dran“. „Säuberungen“ unter den deutschen Politemigranten in der Sowjetunion (1934–1938). In: Mittelweg 36, 6. Jg.,1997, Heft 6, S. 20 –45.
NKWD und Gestapo / Website: http://www.nkwd-und-gestapo.de/index.html
Ochotin, Nikita; Roginski, Arseni: Zur Geschichte der „Deutschen Operation“ des NKWD 1937–1938. In: Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung (2000/2001) S. 89–125.
Pusch, Thomas: Politisches Exil als Migrationsgeschichte. Schleswig-Holsteiner EmigrantInnen und das skandinavische Exil 1933–1960. Dissertation zur Erlangung eines Doktors der Philosophie an der Universität Flensburg. Hamburg, 2003.
(online lesbar unter www.zhb-flensburg.de) (Die Materialien zu dieser Arbeit sind benutzbar im Archiv der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg (FZH), zitiert als „Sammlung Pusch“)
Schlögel, Karl: Terror und Traum. Moskau 1937. München: Hanser, 2008.
Sonderfahndungsliste UdSSR. Faksimile der Sonderfahndungsliste UdSSR des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD, das Fahndungsbuch der deutschen Einsatzgruppen im Russlandfeldzug 1941. Beiband mit einem Kommentar des Herausgebers [...]. Hrsg. v. Röder, Werner. Erlangen: Verlag D + C, 1976.
Tischler, Carola: Flucht in die Verfolgung. Deutsche Emigranten im sowjetischen Exil – 1933 bis 1945. Münster: LIT, 1996.
Vatlin, Alexander: „Was für ein Teufelspack“. Die Deutsche Operation des NKWD in Moskau und im Moskauer Gebiet 1936 bis 1941. Berlin: Metropol, 2013.
Verbrechen im Namen der Idee. Terror im Kommunismus 1936– 1938. Hrsg. v. Weber, Hermann; Mählert, Ulrich. Berlin: Aufbau, 2007.
Vergessen und verdrängt. Arbeiterbewegung und Nationalsozialismus in den Kreisen Rendsburg und Eckernförde. Eine andere Heimatgeschichte. Hrsg. v. Hamer, Kurt, u. a. Eckernförde: Schwensen, 1984.
Verurteilt zur Höchststrafe: Tod durch Erschießen. Todesopfer aus Deutschland und deutscher Nationalität im Großen Terror in der Sowjetunion 1937/1938. Hrsg. v. Plener, Ulla; Mussienko, Natalia. Berlin: Dietz, 2006.
(Texte / Rosa-Luxemburg-Stiftung; Bd. 27 / online lesbar unter: www.rosaluxemburgstiftung.de)
Weber, Hermann: „Weiße Flecken“ in der Geschichte. Die KPD-Opfer der Stalinschen Säuberungen und ihre Rehabilitierung. Frankfurt a. M.: isp-Verlag, 1990.


Archive:


StAE / Stadtarchiv Eckernförde
LAS / Landesarchiv Schleswig Holstein, Schleswig
FZH / Archiv der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg
BA / Bundesarchiv